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  • AutorenbildSönke Stiller

6 Tipps für Auftraggeber

„Mist, wir brauchen noch Text in Leichter Sprache. Praktikant, schreib doch mal was.“


Ungefähr so muss es angefangen haben. Den folgenden Text in angeblicher Leichter Sprache habe ich auf der Website eines großen Krankenhauses gefunden. Ich habe den Namen des Krankenhauses und die Stadt unkenntlich gemacht. Ansonsten ist der Text unverändert.


Das XXX ist ein Klinikum in der Stadt YYY. Das XXX ist ein sehr großes Kranken-Haus in dem Menschen, die krank sind, behandelt werden. Im XXX können viele verschiedene Krankheiten behandelt werden und es gibt besondere Fach-Richtungen zum Beispiel Augenheilkunde. Diese Fach-Richtungen sind in Kliniken unterteilt. Die Kliniken haben eigene Namen, zum Beispiel heißt die Klinik mit der Fach-Richtung Augenheilkunde „Klinik für Augenheilkunde“.


Solche Texte machen mich wütend. Da ist ein Krankenhaus, das auf die Idee kommt, Infos in Leichter Sprache anzubieten. Das ist löblich. Aber dann kommt so etwas dabei heraus? Selbst eine reine KI-Übersetzung ist meistens besser als das. Der Text hält so gut wie keine Regel ein und ist inhaltlich völlig „gaga“.


Wo soll ich anfangen?

  • keine Bilder

  • keine Umbrüche

  • unnötig komplizierte Begriffe

  • viel zu lange Sätze, zum Teil mit Einschüben

  • unlogische Worttrennungen („Kranken-Haus“ vs „Augenheilkunde“)

  • einige Rechtschreibfehler (Kommasetzung!)

  • „Klinikum“ und „Klink(en)“ werden für unterschiedliche Dinge benutzt

  • einige Infos sind unnötig, wichtige Erklärungen fehlen

  • „Erklärung“ durch Wiederholung

  • Verwendung von Passiv-Konstruktionen

Ich weiß nicht, wie der Text zustande gekommen ist: ob es wirklich ein Praktikant war oder ob sich eine Webdesignerin dachte: „Ach, kein Problem, ich biete alles aus einer Hand an. Kann so schwer nicht sein.“ Ich hoffe jedenfalls, dass es kein spezialisiertes Leichte Sprache Büro verbockt hat. Ausschließen kann ich selbst das leider nicht.


So machen Sie es besser

Wenn Sie einen Text in Leichter Sprache benötigen, machen Sie nicht den gleichen Fehler: Fragen Sie nicht den Praktikanten und nicht die Webdesignerin. Nehmen Sie auch nicht das billigste Übersetzungsbüro, auch wenn Preise von 50,- € bis 70,- € pro Normseite verlockend klingen. Dahinter stecken mangelnde Kontrolle, große Risiken und eine unterirdische Bezahlung des Personals.


Die folgenden Tipps helfen Ihnen, gute Texte in Leichter Sprache zu bekommen:


1. Lesen Sie sich ins Thema ein

Werfen Sie ruhig einen Blick in ein Regelwerk. Sie müssen die Regeln weder auswendig lernen, noch anwenden können. Aber Sie sollten verstehen, um was es geht. Und Sie sollten Basiswissen haben (zum Beispiel: Was ist Leichte Sprache und was ist Einfache Sprache?). Gut informiert sind Sie nicht so leicht zu täuschen.


2. Lassen Sie sich Arbeitsproben zeigen

Achten Sie dabei auf die Einhaltung von Regeln, aber auch auf eine gute sprachliche Qualität. Ein Beispiel: Die Vermeidung von Nebensätzen durch ständige Frage-Antwort-Konstrukte sollte Sie skeptisch machen.


3. Stellen Sie klare Anforderungen auf

Brauchen Sie wirklich Leichte Sprache oder doch Einfache Sprache? Wer ist Ihre Zielgruppe – wer soll den Text am Ende lesen? Bevorzugen Sie ein bestimmtes Regelwerk? Mit welchen Bildern wollen Sie arbeiten? Wie soll die Qualität sichergestellt werden? Wer soll Ihren Text am Ende prüfen?


4. Bestehen Sie auf sozialen Mindeststandards

Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein – ist es aber leider nicht: Verlangen Sie, dass alle den Mindestlohn bekommen. Auch Prüfer und Kleinunternehmerinnen. Hintergrund: Prüfer sind oft in Werkstätten beschäftigt. Dort erhalten sie keinen Mindestlohn. Und Selbständige dürfen sich selbst ausbeuten. Wenn Sie das nicht wollen, machen Sie es zur Bedingung: Mindestlohn für alle.


5. Fragen Sie genau nach

Ist im Krankheitsfall eine Vertretung vorhanden? Werden Texte nach dem Vier-Augen-Prinzip kontrolliert? Gibt es eine Prüfgruppe und wenn ja, wie ist sie zusammengesetzt? Wer korrigiert die Textentwürfe? Wann und wie können Sie ein Feedback zum Entwurf geben? Erfolgt die Übersetzung mit oder ohne KI-Unterstützung? Ist Ihr Dienstleister haftpflichtversichert, falls etwas schief geht?


6. Lassen Sie sich einen Projektplan schreiben

Ein Projektplan hilft Ihnen, zu verstehen, wie Ihr Dienstleister arbeitet. In einem Projektplan sollte zum Beispiel stehen: Wer arbeitet an Ihrem Auftrag? Sind Übersetzung, Korrektur und Projektmanagement getrennt? Welche Qualifikation haben die Mitarbeiterinnen? Wie ist der Ablauf? Gibt es einen Zeitplan? Wer stellt sicher, dass der Zeitplan eingehalten wird?


All das kostet Zeit und Geld, aber es lohnt sich. Damit Ihre Texte in Leichter Sprache nicht so peinlich enden wie der Text des von mir zitierten Krankenhauses.


Übrigens: Selbstverständlich gilt das, was ich schreibe, weitgehend auch für Einfache Sprache.


Herzliche Grüße

Sönke Stiller

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