top of page
Suche
  • AutorenbildSönke Stiller

Die Flop-5 der Leichten Sprache

An anderer Stelle schrieb ich vor einigen Wochen über die Flop-5 der angeblichen Gründe gegen die Einfache Sprache.


Bei der Leichten Sprache ist es ein bisschen anders. Gegen sie etwas zu sagen, fällt kaum jemandem leicht. Selbst diejenigen, die Leichte Sprache für überflüssig halten oder sie ablehnen, halten sich mit offener Kritik zurück. Denn offen zu sagen, dass man gegen Barrierefreiheit ist oder dass man sie zumindest nicht so wichtig findet, damit schießt man sich selbst ins Aus.


Was ich bei Leichter Sprache stattdessen beobachte, sind eher Flops in der Anwendung der Leichten Sprache. Und darum geht’s in diesem Beitrag.


Flop 1: Schlechte Qualität

Ob unbearbeitete KI-Übersetzung, von unqualifizierten Menschen geschrieben oder aufgrund von vermeintlich zu großem Kostendruck nicht lektorierter Text: Mir sind schon sehr viele schlechte Texte in Leichter Sprache untergekommen. Ich rede hier über Organisationen, die eigentlich genug Geld für professionelle Öffentlichkeitsarbeit haben. Oft habe ich gestaunt, wie egal es großen Firmen, NGOs Krankenhäusern, öffentlichen Trägern o.ä. offenbar ist, was sie ihren Nutzerinnen in Leichter Sprache anbieten.


Schlechte Qualität, damit meine ich zum Beispiel:

  • sachlich fehlerhafte Texte

  • sinn- und zusammenhanglos aneinandergehängte Sätze

  • stilistische Grausamkeiten

Ich glaube: Schlechte Qualität in Leichter Sprache kommt zustande, wenn Auftraggeber nicht wirklich an der Zielgruppe der Leichten Sprache interessiert sind, aber aus Imagegründen einen Text in Leichter Sprache anbieten, „weil man das heute so macht“. Das geht nach hinten los, wenn darunter die Qualität leidet.


Flop 2: Nur die Pflichttexte anbieten

Für Bundesbehörden und Verwaltungen, zum Teil auch auf anderen Ebenen, ist es gesetzlich vorgeschrieben, folgende Informationen in Leichter Sprache anzubieten:

  • eine Inhaltsangabe der Seite

  • Navigationshinweise

  • eine Erklärung zur Barrierefreiheit

Und weil das die Pflichtinhalte sind, wird allzu oft auch genau das gemacht: Nur diese Dinge werden in Leichte Sprache übersetzt. Für Menschen mit Lernschwierigkeiten, die sich informieren möchten, ist das frustrierend. Im schlimmsten Fall sagt man ihnen „Folgendes könntest du auf unserer Website finden, aber du kannst es leider nicht lesen. Pech gehabt“. Ein Desaster, finde ich.


Flop 3: Auf zu vielen Details bestehen

Das genaue Gegenteil von Flop 2 und auch nicht der Weisheit letzter Schluss: Texte mit allen nur denkbaren Details. Leserinnen von Texten in Leichter Sprache brauchen kurze, aber aussagekräftige Infos. Wer sich in Details verliert, verfehlt den Zweck. Denn ein langer Text schreckt ab und ist aufgrund der schieren Textmenge eine Barriere.


Flop 4: Prüfer nicht bezahlen

Leider ist es weit verbreitet, Prüfer nicht oder sehr schlecht zu bezahlen. Ich finde: Arbeit sollte als Arbeit wertgeschätzt werden und Texte prüfen ist Arbeit. Deshalb sollten Prüfer einen anständigen Lohn erhalten. Das bedeutet, dass eine Prüfstunde teuer ist. Ein Wettbewerbsnachteil? Vielleicht. Aber einer, den wir gern in Kauf nehmen, weil alles andere unseren Werten widersprechen würde.


Flop 5: Gendersprache

Geschlechtergerechte Sprache ist wichtig. In meinen Blogtexten nutze ich abwechselnd männliche und weibliche Formen. Mir ist bewusst, dass ich damit non-binäre Menschen nicht explizit nenne. Es ist für mich ein Kompromiss. Mein Text soll lesbar sein und trotzdem nicht ausgrenzen. Ich hoffe, das gelingt mir.


Wenn geschlechtergerechte Sprache auf Leichte Sprache trifft, wird es spannend. Und wie immer beim Thema „gendern“ gibt es zwei extreme Lager. Da gibt es diejenigen, die sagen: „In Leichter Sprache kann man nicht gendern, das versteht niemand aus der Zielgruppe.“ Und es gibt diejenigen, die das Gegenteil vertreten: „Alles kein Problem, gendern hat keinen Einfluss auf die Verständlichkeit.“


Ich bin den Kolleginnen von Capito sehr dankbar, dass sie eine Studie zum Thema gemacht haben. Für Leichte Sprache kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass es schwierig ist, verständlich und inklusiv zu gendern. Bestimmte geschlechtsneutrale Formen sowie die Doppelnennung sind verständlich, alles andere ist in Leichter Sprache mindestens erklärungsbedürftig. Aus meiner Sicht ist das ein guter Weg, in Leichter Sprache geschlechtergerecht zu sprechen und zu schreiben.


Haben Sie auch Flops der Leichten Sprache? Wenn ja, wie lauten sie und wie begegnen Sie ihnen?

Ähnliche Beiträge

Alle ansehen

Gendern in Einfacher Sprache

Passen Gendersprache und Einfache Sprache zusammen? Was geht und was nicht? Über eine Gemeinsamkeit und einen Zielkonflikt.

Römer sind (auch nur) Menschen

Neulich fand ich einen wirklich schlechten Text in Leichter Sprache. Ich frage mich dann immer, wie ein konstruktiver Umgang damit aussieht.

bottom of page