Teil 3: Lösungen
In den letzten beiden Beiträgen habe ich mich viel aufgeregt: über schlechte Texte in Leichter Sprache, weil sie ein echtes Problem sind und über die Ursachen dahinter. Heute wird es konstruktiv, versprochen. Meine heutige Leitfrage ist: Wie können sich Anbieter von Leichter Sprache mit guter Qualität durchsetzen? Ich glaube, dass wir dafür drei Dinge brauchen:
1. Ausbildung: Handwerk beherrschen
Ja, es gibt Studiengänge, bei denen barrierefreie Kommunikation prominentes Thema ist. Es gibt auch Ausbildungen, die für die Arbeit als Übersetzerin oder Übersetzer für Leichte Sprache hilfreich sind, zum Beispiel im Journalismus. Es gibt die Fortbildungen, in denen man ein „Zertifikat“ als Übersetzerin oder Übersetzer für Leichte Sprache erwerben kann. Wer solche Qualifikationen mitbringt, hat ordentliche Voraussetzungen für gute Arbeit.
Ich glaube aber, dass es helfen würde, wenn „Redakteurin oder Übersetzer für Leichte Sprache“ ein Ausbildungsberuf wäre; mit einer verbindlichen Ausbildungsordnung und einem Berufsabschluss. Ich glaube, dass eine Ausbildung besser geeignet wäre als ein Uni-Studium. Denn einfach schreiben ist letztlich kein theoretisches Konstrukt und findet nicht im Modell statt; es ist ein Handwerk. Man braucht dafür ein gewisses Talent, Wissen über die Zielgruppe und ihre Fähigkeiten, solide Kenntnisse der Regelwerke und möglicher Hilfsmittel (das beinhaltet auch den kompetenten Umgang mit KI-gestützter Übersetzung) sowie gute Anleitung in der Praxis. Denn wie bei jedem Handwerk ist am Ende das Wichtigste: üben, üben, üben. Ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf mit einem verbindlichen Kurrikulum wäre dafür ein guter Rahmen.
2. Auftraggeber: Qualität bewerten
Für Auftraggeberinnen und Auftraggeber ist es schwer, Qualitätsunterschiede zu erkennen. Sie sind nicht die Expertinnen und Experten, deshalb holen sie sich einen externen Dienstleister ins Haus, der ihnen helfen soll. Trotzdem können auch sie etwas dazu beitragen, dass sich gute Qualität durchsetzt.
In Ausschreibungen sollte nie der Preis das alleinige Zuschlagskriterium sein. Das ist eine Aufforderung zum Dumping – und welche Folgen Dumping hat, habe ich vor zwei Wochen dargestellt. Auch die formale Erfüllung von Eignungsvoraussetzungen, nachzuweisen durch die Tatsache, dass man schon mal einen ähnlichen Auftrag bearbeitet hat, schützt nicht vor Reinfällen.
Kluge Auftraggeberinnen und Auftraggeber wissen das längst und werten deshalb nach einem Mix aus Preis- und Qualitätskriterien. Aber was sind verlässliche Qualitätskriterien? Aus meiner Sicht sind es mindestens zwei:
· Konzeptentwurf: Wie bearbeiten Sie unseren Auftrag?
· Probetext: Bitte übersetzen Sie folgenden Text in Leichte Sprache.
Nur mit diesen direkten Arbeitsproben kann sich eine Auftraggeberin oder ein Auftraggeber wirklich ein Bild von der Arbeit eines Dienstleisters machen. Darüber hinaus können natürlich weitere Kriterien wie beispielsweise Qualifikationsnachweise des eingesetzten Personals, Referenzen oder Anforderungen an die Übersetzungsgeschwindigkeit hinzukommen.
3. Politik: Rahmen setzen
Sollte Politik Einfluss auf Leichte Sprache nehmen? Ich finde: Ja. Denn es geht um Teilhabe, um Barrierefreiheit; am Ende des Tages um die Wahrung von Menschenrechten. Das ist eine politische Aufgabe. Und wenn auf einem unregulierten Markt Ergebnisse entstehen, die viel Geld kosten und das Ziel der barrierefreien Information nicht erreichen, dann braucht es einen staatlichen Rahmen.
Ein Beispiel: Es gibt zwar einen allgemeinen Mindestlohn. Aber Freiberufler dürfen sich weiterhin nach Herzenslust selbst ausbeuten und im Zweifelsfall für weniger als fünf Euro pro Stunde arbeiten. Leider ist unter Übersetzerinnen und Übersetzern für Leichte Sprache gang und gäbe. Nachhaltig ist das nicht. Und es wirkt sich massiv auf die Qualität der abgelieferten Arbeit aus. Wenigstens der Mindestlohn sollte für alle eine Selbstverständlichkeit sein.
Darüber hinaus kann der Staat Berufsbezeichnungen schützen. Nicht jede und jeder sollte einfach behaupten können, in Leichte Sprache übersetzen zu können. Dafür braucht es eine Menge Voraussetzungen: Den Schutz des Begriffs Leichte Sprache, verbindliche und allgemeingültige Regeln, die Schaffung eines Ausbildungsberufs (um nur einige zu nennen). Diese Voraussetzungen bedeuten, dass wir noch eine ganze Strecke des Wegs vor uns haben. Aber sie scheinen mir möglich und erstrebenswert zu sein.
Was denken Sie? Wie kann sich Leichte Sprache mit guter Qualität durchsetzen? Kommentieren Sie meinen Beitrag gern mit Ihren Ideen. Ich freue mich darauf, Ihre Gedanken zu lesen.
Ihr Sönke Stiller
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